Grüne Versicherungen auf dem Vormarsch
In Schleswig-Holstein pflanzt ein Versicherer einen ganzen Wald, genauer einen Eichenmischwald. Bei dem Unternehmen handelt es sich um bessergruen.de, einem nachhaltigen Marktplatz, der Versicherungen aus den Sparten Kfz, private Haftpflicht, Hausrat- und Wohngebäudeversicherung sowie Unfall- und Tierhalterhaftpflicht anbietet. Für jede abgeschlossenen Police kann eine junge Eiche, Ulme oder Erle wachsen. Auf der aktuell rund 18 Hektar großen Fläche in der Nähe von Nindorf im Kreis Rendsburg-Eckernförde setzte bessergruen.de bereits die ersten 10.000 Bäume. In ganz Deutschland plant das Unternehmen die Aufforstung voranzutreiben.
bessergruen.de arbeitet mit nachhaltig agierenden Unternehmen zusammen, die je abgeschlossener Transaktion eine Lizenzgebühr entrichten. Außerdem investieren die Partner 100 Prozent ihres Beitrags (abzüglich Versicherungssteuer und Rückversicherungsanteil) in eine ökologische und nachhaltige Kapitalanlage. Dazu hat bessergrün eine Positiv- und eine Negativliste erstellt. Die Negativliste legt fest, in welche Anlagen kein Kapital investiert werden darf.
Einen nachhaltigen Ansatz fährt auch das US-amerikanische Insurtech Lemonade, das seit vergangenem Jahr auf dem deutschen Markt präsent ist. Nicht in Anspruch genommene Beiträge werden zum Teil an wohltätige Organisationen gespendet. Kunden entscheiden mit, wohin das Geld fließt. In den vergangenen Jahren wurden mit Kundenbeiträgen zum Beispiel ein Wassersystem in Afrika finanziert oder Häuser in Mittelamerika gebaut.
Kunden fordern nachhaltige Produkte – auch von Versicherern
Nachhaltigkeit – auch in der Versicherungsbranche ist das ein Thema, das immer wichtiger wird. Grüne Anlagen allgemein, und damit grüne Versicherungen, werden von den Kunden zunehmend erwartet. Das hat auch die Europäische Union längst erkannt. Vor zwei Jahren legte sie daher einen Aktionsplan zur Umsetzung „Nachhaltiger Finanzen (Sustainable Finance)“ vor.
Dieser Plan steckt den Rahmen auf dem Weg zu mehr nachhaltigen Investitionen ab. Er besteht aus einem Bündel von Regulierungsmaßnahmen, durch die Finanzmarktakteure wie Kapitalverwaltungsgesellschaften, Versicherungen, Pensionskassen oder Banken in die Pflicht genommen werden. Der Klimawandel und die damit einhergehenden Herausforderungen stellen an Finanzprodukte und die Anlageberatung neue Anforderungen. So sind Kunden künftig nicht nur zu ihren Anlagezielen und ihrer Risikobereitschaft zu befragen, sondern auch ausdrücklich zu ihren Nachhaltigkeitswünschen.
Als Standard nachhaltigen Wirtschaftens hat sich die Begrifflichkeit „ESG“ etabliert. Diese drei Buchstaben beschreiben drei nachhaltigkeitsbezogene Verantwortungsbereiche von Unternehmen: Umweltschutz, soziales Verhalten und faire Unternehmensführung (Environment, Social, Governance beziehungsweise “ESG”). Im Investmentbereich haben sie bereits Einzug gehalten. Damit tauchen sie immer häufiger auch in Versicherungsangeboten auf, beispielsweise bei fondsgebundenen Renten- und Lebensversicherungen.
ESG-Kriterien sind ein recht milder Filter
Die ESG-Kriterien gelten unter Experten allerdings als ein recht milder Filter. Das zeigt der Industrieländerindex MSCI World: Im Original, und damit ohne Berücksichtigung von Nachhaltigkeit, bildet er mehr als 1.600 Unternehmen ab. Nach einem Screening in Sachen ESG-Kriterien sind es immer noch 1.330. Ein Blick auf den komplett nachhaltigen MSCI World Sustainability Index (SRI) zeigt dagegen, dass dort von vornherein nur 400 Aktien enthalten sind, abzüglich der Unternehmen mit fossilen Brennstoffen bleiben sogar nur 375 übrig. Umstrittene Branchen scheiden hier von vornherein aus: Alkohol, Tabak, Glücksspiel, Waffen, Atomkraft, Pornografie, Gentechnik.
Wer als Versicherungskunde Produkte unter dem Aspekt der Nachhaltigkeit nutzen möchte, sollte sich daher sehr genau informieren oder die Expertise eines Versicherungsberaters in Anspruch nehmen. Denn laut Verbraucherschützern gibt es noch keine einheitliche Definition oder allgemeingültige Standards für „ethisch-ökologische“, „nachhaltige“, „grüne“ oder „klimafreundliche“ Geldanlagen“. Der Markt ist deshalb noch immer sehr unübersichtlich.