Tausende Kranke warten noch immer auf Spenderorgan
Schon seit 1983 macht ein alljährlicher Aktionstag im Juni auf das wichtige Thema der Organspende aufmerksam. In diesem Jahr steht der Tag unter dem Motto „Entscheide dich“. Die Idee dahinter: Durch eine eigene, selbstbestimmte Entscheidung zur Organspende kann jeder einzelne dazu beitragen, dass seinem Willen entsprochen wird, Angehörige entlastet werden und Patienten, die auf ein lebensrettendes Organ warten, geholfen wird. Zahlreiche Live-Sendungen, Direktschaltungen und Videos auf www.tagderorganspende.de greifen das Thema am 5. Juni aus verschiedenen Blickwinkeln auf.
Nach Auskunft der Veranstalter des Aktionstags, einem Zusammenschluss verschiedener Institutionen und Patientenverbände, sind die Organspendezahlen in Deutschland in der Pandemie stabil geblieben. Das gelte für 2020 ebenso wie für die ersten vier Monate dieses Jahres. So habe es im vergangenen Jahr insgesamt 913 Spender gegeben, die durchschnittlich mehr als drei schwerkranken Patienten die Chance auf ein neues Leben ermöglicht hätten.
9.000 Menschen warten auf Spenderorgan
Damit sich noch mehr Menschen zu Lebzeiten aktiv für eine Organspende entscheiden, appelliert Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) an alle Bürgerinnen und Bürger, ihren Willen festzuhalten.
„Ob man Organe spenden würde oder nicht – das ist eine sehr persönliche Entscheidung. Aber eine Entscheidung, die Leben retten kann“, sagt Spahn, der die Schirmherrschaft des Aktionstags übernommen hat. „Darum sollte sich jeder diese Frage stellen und den eigenen Willen dokumentieren, schriftlich im Organspendeausweis oder künftig im Online-Register. 9.000 Menschen in Deutschland warten auf ein Spenderorgan.“
Neues Gesetz soll Entscheidung erleichtern
Die Entscheidung leichter machen und flankieren soll ein neues „Gesetz zur Stärkung der Entscheidungsbereitschaft bei der Organspende“, das am 1. März 2022 in Kraft treten wird. So werden dann beispielsweise zukünftig auch die Ausweisstellen von Bund und Ländern Aufklärungsmaterial und Organspendeausweise aushändigen bzw. bei elektronischer Antragsstellung elektronisch übermitteln.
Daneben können bei Bedarf auch Hausärzte ihre Patienten alle zwei Jahre ergebnisoffen zur Organspende beraten. Zudem wird ein bundesweites Online-Register eingerichtet, in dem die persönliche Entscheidung zur Organspende selbstständig dokumentiert werden kann.
Widerspruchsregelung ist vom Tisch
Die noch vor einem Jahr diskutierte Widerspruchsregelung ist indes vom Tisch. Dieser Gesetzesentwurf, den Jens Spahn gemeinsam mit dem SPD-Gesundheitsexperten Karl Lauterbach eingebracht hatte, hätte jeden Menschen in Deutschland, der nicht zu Lebzeiten ausdrücklich widersprochen hat, automatisch zum potenziellen Organspender gemacht. So bleiben weiterhin eine Einwilligung des möglichen Organspenders oder die Zustimmung des nächsten Angehörigen notwendig.
Befürchtungen unbegründet
Wie die Deutsche Stiftung Organtransplantation mitteilt, kann bereits jeder Deutsche ab 16 Jahren seine Bereitschaft zur Organspende im Organspendeausweis erklären. Eine ärztliche Untersuchung vorab sei nicht nötig.
Die häufig geäußerte Befürchtung, dass bei Vorliegen eines Organspendeausweises im Notfall nicht mehr alles medizinisch Mögliche getan werde, sei völlig unbegründet. Notärzte, Rettungsteams und Intensivmediziner, die sich um das Leben eines Patienten bemühten, hätten nichts mit der Organentnahme und Transplantation zu tun.
Außerdem müsse für eine Organentnahme immer zweifelsfrei nach den Richtlinien der Bundesärztekammer der irreversible Hirnfunktionsausfall („Hinrtod“) festgestellt sein.
Kranke verlieren Hoffnung
Wie viele unterschiedliche Menschen auf ein Spenderorgan warten und wie hoffnungslos dieses Warten für manche mitunter ist, verdeutlicht Bettina Lange, Vorsitzende der Selbsthilfegruppe „Niere“ in Potsdam: „In Deutschland sind allein 90.000 Menschen auf die Dialyse angewiesen, aber nur rund 7.000 davon befinden sich auf der Warteliste für ein Spenderorgan“, so Lange.
„Zum Teil lassen sich diese Patienten gar nicht mehr auf die Warteliste setzen, da sie wegen der langen Wartezeit von mehreren Jahren keine Hoffnung haben, überhaupt eine postmortale Organspende zu erhalten. Und doch könnte das Leben vieler dieser Patienten durch eine Transplantation verlängert und verbessert werden – wenn wir denn mehr Organe transplantieren könnten“, sagt Lange, die selbst seit mehr als zwölf Jahren mit einer Spenderniere lebt.