„Dr. Google“ – Für Ärzte noch eher Last als Segen

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„Dr. Google“

Für Ärzte noch eher Last als Segen

Das Internet zählt für Patienten nach Gesprächen mit Ärzten, Angehörigen oder Freunden zu den drei am häufigsten herangezogenen Informationsquellen in Gesundheitsfragen. Ärzten schmeckt das nicht immer, wenn die Patienten mit Informationen von „Dr. Google“ zum Termin erscheinen. Bleibt die Frage: Nutzen Ärzte und Patienten das Potenzial des Internets aus? Nein, noch nicht, lautet das Fazit einer aktuellen Studie der Bertelsmann Stiftung.

Von Oliver Link | Druckansicht

Infos, Trost, Zerstreuung

Einen Arzttermin vorbereiten, Therapien vergleichen oder sich mit anderen austauschen – viele holen sich medizinischen Rat bei „Dr. Google“. Patienten
finden bei dem virtuellen Doc, wonach sie suchen – neben harten Fakten auch Trost und Zerstreuung. Das offenbaren Tiefeninterviews, die das Marktforschungsinstitut Rheingold im Auftrag der Bertelsmann Stiftung geführt hat. Diese qualitative Studie zur Frage, wie Patienten nach Informationen im Netz suchen und sie nutzen, wurde durch eine repräsentative Bevölkerungsbefragung von Kantar EMNID ergänzt.

Hohe Zufriedenheit

So verschieden die Suchmotive, so groß ist die Zufriedenheit mit den Treffern. 52 Prozent der Befragten sind „immer zufrieden“ oder „meistens zufrieden“, 44 Prozent sind „teils, teils zufrieden“ – „selten zufrieden“ sind dagegen nach Stiftungsangaben nur 2 Prozent der Befragten. Niemand, so zeigten die repräsentativen Ergebnisse, ist mit den eigenen Suchergebnissen „immer unzufrieden“.

Fatal bei der Konsultation von „Dr. Google“ ist aus Sicht der Experten, dass Patienten bei ihrer Suche manchmal auf falsche Behauptungen treffen und auch unseriösen Websites vertrauen. Hier herrsche großer Handlungsbedarf, verdeutlicht Brigitte Mohn, Vorstand der Bertelsmann Stiftung.

Oft schweigen Patienten

Stiftungs-Gesundheitsexpertin Marion Grote-Westrick appelliert an die Ärzte, vorinformierten Patienten offener gegenüberzutreten, da noch viel Potenzial verschenkt werde. Noch verschwiegen 30 Prozent der Patienten ihrem Arzt den Besuch von „Dr. Google“.

Offenheit angemahnt

Um die Gesundheitsinfos im World Wide Web besser fu?r gute Behandlungsergebnisse nutzen zu können, empfiehlt die Stiftung:

  • Alle Akteure im Gesundheitssystem sollten die Vielfalt von Gesundheitsinformationen anerkennen. Ärzte könnten seriöse Quellen empfehlen.
  • Ärzte sollten Patienten bestärken, sich selbst zu informieren und so Arztbesuche gezielt vor- oder nachzubereiten.
  • Patienten sollten offen mit ihrem Arzt über „Dr. Google“ sprechen.

Modellprojekt zur Fernbehandlung

Baden-Württemberg will Vorreiter bei der Fernbehandlung ohne zwingenden persönlichen Erstkontakt werden. Dieser ist bisher bundesweit in sämtlichen ärztlichen Berufsordnungen vorgeschrieben. Das heißt, Ärzte müssen Patienten einmal persönlich in der Praxis gesehen haben, bevor sie eine weiterführende Behandlung via Online-Videosprechstunde anbieten können. Im Oktober hatte die Landesärztekammer Baden-Württemberg den Weg freigemacht für das Modellprojekt „docdirekt“ zur ausschließlichen ärztlichen Fernbehandlung. Startregionen sind Tuttlingen und Stuttgart, später soll das Projekt auf das gesamte Bundesland ausgeweitet werden.

„Verantwortlicher Arzt“ für Patientenschutz

Beantragt werden kann die Teilnahme am Pilotprojekt nur von einem Arzt, der Mitglied in der Landesärztekammer Baden-Württemberg ist. Dieser fungiert laut Kammer als „verantwortlicher Arzt“ und garantiert die Einhaltung des berufsrechtlichen Rahmens sowie des Patientenschutzes und der Datensicherheit.

Für die technische Realisierung ist der Anbieter TeleClinic verantwortlich, Kostenträger sind die GKV-Landesverbände.

Autor:

Oliver Link

Oliver Link ist Chefredakteur von medic news, dem Infobrief für angestellte Ärzte.