Welches virtuelle Erbe hinterlasse ich der Nachwelt?
Nach einer Zivilrechtsklage vor dem Bundesgerichtshof (BGH) hat das oberste Zivilgericht kürzlich einer Mutter das Recht auf die Facebook-Daten der verstorbenen Tochter zuerkannt: „Erben müssen Zugriff auf den Facebook-Account des Verstorbenen erhalten“ heißt es im Urteil (Aktenzeichen III ZR 183/17). Die Mutter hoffte, durch die Klage auch in dem im sogenannten Gedenkzustand befindlichen Konto mehr über die Umstände erfahren zu können, die zum Tod der Tochter geführt hatten. Der Eingriff in das Profil wurde ihr zuvor verwehrt.
Zugang zu Online-Konten für den digitalen Nachlass unerlässlich
Ein Beispiel, das zeigt, wie vertrackt die Situation Hinterbliebener sein kann. Auch wenn Einträge und Fotos für trauernde Angehörige zuweilen peinlich oder schmerzhaft sein können – um ihren Pflichten als Erben nachzugehen, müssen sie beispielsweise Zugang zum E-Mail-Postfach haben. Nur wenn sie auch die Daten zur Hand haben, können Hinterbliebene Versicherungen informieren, Konten kündigen oder ausstehende Zahlungen leisten.
Durch die neue Rechtsprechung nach dem Facebook-Urteil werden laut Erbrechtsanwalt Paul Grötsch aus München nun keine Sonderreglungen für den digitalen Nachlass mehr eingeräumt: „Das Urteil hat festgehalten, dass das virtuelle Erbe nicht anders behandelt werden darf, als das analoge.“ Wer nicht selbst darüber entscheidet, wer nach dem Tod Zugang zu seinen Online-Konten erhält, überlässt demnach seinen Erben automatisch alle Rechte und Pflichten – und damit alle Informationen.
Die wichtigste Frage: Was möchte ich von mir preisgeben?
Der Anwalt rät: „Erblasser sollten sich möglichst schon zu Lebzeiten damit befassen, was sie zum einen in sozialen Medien von sich preisgeben, und auch, welche nicht gelöschten Emails sie hinterlassen würden. Die wichtigste Frage, die sich stellt, ist aber zu entscheiden, wer nach dem Tod über die digitalen Daten verfügen darf. Denn der Erbe erhält mit dem analogen auch automatisch das digitale Erbe – sofern im Testament nichts anderes verfügt wurde. Eine Trennung ist dann nicht mehr möglich.“
Im Fall des Todes greift nach deutschem Erbrecht die Gesamtrechtsnachfolge: „Hier gilt der Grundsatz der Universalsukzession, nach dem die Erben für alle Rechte und Pflichten des Verstorbenen eintreten – analog wie digital“, so Grötsch. Um auch posthum möglichst selbstbestimmt über digitale Daten verfügen zu können, rät er, nicht nur im Testament aufzuführen, was mit den Daten geschehen soll: „Wichtig ist auch, den Zugang zu den Konten zu ermöglichen.“
Wohin mit den Passwörtern: Eine Frage des Vertrauens
Eine denkbare Lösung ist zum Beispiel, eine Person ins Vertrauen zu ziehen und sie darüber aufzuklären, was mit den Daten im Todesfall geschehen soll. Mit einer Liste aller Benutzerkonten und aktueller Passwörter auf einer externen Festplatte, einem bei Gericht hinterlegten USB-Stick oder an einem anderen sicheren Ort könnte diese Person auf Nutzerkonten zugreifen, sogar noch bevor Provider und andere Onlinedienste Konten sperren.“ Zu bedenken sei dabei allerdings, regelmäßig geänderte Passwörter ebenfalls zugänglich zu machen.
Gerade dann, wenn nicht alle Daten auf die Erben übergehen dürften, sollte der Verbraucher zudem genau festlegen, was mit den einzelnen Konten passieren soll. Im Zweifelsfall müsse man im Rahmen der Nachlassgestaltung klare Regelungen für das Testament treffen, die jegliche Patt-Situation innerhalb der Erbengemeinschaft vermeiden.